(Micki Meuser – April 2023)
Künstliche Intelligenz und Chat GPT sind das derzeitige Hype-Thema und in dieser Intensität neu. Jede Woche gibt es Meldungen und neue Fähigkeiten, die der KI zugeschrieben werden. Aus Scripts und Synopsen macht die KI fertige Drehbücher (Tschüss Drehbuchautor:innen!), aus ein paar Handlungs- und Erzählungsideen ganze Bücher (Bye Schriftsteller:innen!) und Bilder und Fotos stellt die KI sowieso im Handumdrehen nach ein paar visuellen Anweisungen her.
Die Filmmusik scheint sogar besonders prädestiniert für die Kreation per KI: Bei unserer Arbeit kommen zur reinen (selbstverwirklichenden) Musikkreation mehrere zusätzliche sehr KI- bzw. Computer-freundliche Parameter hinzu. Und je mehr Parameter, desto einfacher die Berechnung für einen Computer. Das für eine Szene passende Tempo, die angemessene Tonlage und Stimmung, die entsprechenden Instrumente und Farben, all diese Informationen, die eine Filmkomponistin oder ein Komponist üblicherweise festlegt, bevor es/sie eine Szene vertont, machen es einer KI leichter dann wahlweise im Stil von Hans Zimmer, John Williams oder den derzeitig angesagten Filmkomponist:innen zu „assemblen“.
Dazu braucht die KI nur mit möglichst vielen unserer Werke „trainiert“ werden. Und hier ist gleich ein wichtiger Ansatzpunkt: Wieviel ist die Nutzung eines Werkes zum Training einer KI wert? Nach unserer Auffassung ist diese Art von Nutzung wesentlich höher zu bewerten als eine Nutzung im TV, Radio oder als VOD auf einem Videoportal. Das Training ist endgültig. Es braucht nur einmal durchgeführt werden. Die KI beherrscht danach den betreffenden Stil der Komponistin oder des Komponisten für alle Zeiten.
Als nächstes stellt sich die Frage, ob KI-Musik und generell KI generierte Werke, gekennzeichnet werden sollten. Nur so können Verbraucher:innen erkennen, habe ich hier echte Musik, ein echtes Bild oder ein von einem Menschen geschriebenes Buch oder kommt das Werk (ist es dann noch ein Werk?) von einem Computer. Und politisch brisant wird es, wenn dann auch noch Journalismus und Nachrichtenmeldungen von KIs übernommen werden. Nachrichten, die dem Inhaber oder Entwickler der KI gerade am besten passen, automatisch gefiltert durch einen Algorithmus… Das betrifft dann alle Menschen und nicht nur unseren wunderbaren Beruf.
Wir sollten uns aber nicht als technikfeindlich abstempeln lassen. KI bietet auch viele Vorteile: Maschinelles Lernen kann den künstlerischen und technischen Prozess unterstützen und vereinfachen und wird ja auch schon auf diese Weise in der Musik genutzt. Unsere Sorge gilt vor allem der weiteren Abwertung kultureller Werke in allen Bereichen und dem möglichen Ende des professionellen kreativen Schaffens.
Die Überlegung: „Wer profitiert denn von einer solchen Abwertung von Kultur?“ zeigt uns dabei wieder die „üblichen Verdächtigen“ und übermächtigen Gegner, die wir auch schon von der Plattformregulierung kennen. Die monopolistischen Tech-Firmen, Gatekeeper, Plattformen, allen voran wie immer Google, profitieren am meisten von „Kultur umsonst“. Sie sind dann die Einzigen, die noch mit Auswertung von kulturellen Werken Profite machen können, und zwar durch „Big Data“, durch die Erhebung der Verbraucherdaten. Es ist das Gold unseres Jahrhunderts aus den Suchanfragen der Menschen, aus den geografischen Orten, an denen sie sich aufhalten, und den geschmacklichen (Musik, Film, Buch, Bild) Vorlieben der Verbraucher nette Pakete mit den Profilen aller Menschen für die globale Werbeindustrie zusammen stellen zu können. Das ist viel mehr wert als die Werbung selbst.
Und wieder wird das Wort „Freiheit“ in die Luft gepustet, wo die Techfirmen eigentlich ihren „Profit“ meinen. Diese Freiheit, dieses Vacuum und die Scheu der Politik und der Gesellschaft wenigsten ein bisschen regulierend einzugreifen hat eben nicht, wie von den digitalen Vortänzern und Digi-Groupies versprochen, Demokratisierung gebracht, sondern die größten Monopole, die der Planet je gesehen hat. Sollte es uns Kulturschaffende nicht stutzig machen, dass diese kraken-artigen Strukturen nun die sind, die KI am vehementesten vorantreiben und propagieren?
Wichtig ist, dass wir uns nicht allein mit der Frage beschäftigen: Wird KI irgendwann unser künstlerisches Niveau erreichen? Diese Frage ist klischeehaft, selbstbezogen und lenkt von den oben angesprochenen Problemfeldern ab. Und eigentlich ist sie längst beantwortet: Sie wird!
Zum Thema KI haben wir Euch ein paar Links zusammengestellt:
https://www.egair.eu/#manifesto
https://www.unesco.org/en/articles/artificial-intelligence-unesco-calls-all-governments-implement-global-ethical-framework-without
https://politikkultur.de/themen/kuenstliche-intelligenz/
https://politikkultur.de/themen/umgang-des-urheberrechts-mit-kulturschaffender-ki/